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Der Pharao in Frauenkleidern

homo.net Info vom 19. September 2019
von Webmaster Jan

 

Echnaton kam seinen Zeitgenossen verzaubert vor. Der Pharao, der ungefähr ab 1350 vor Christus für etwa 17 Jahre in Ägypten herrschte, sei von den Sternen gekommen, so raunte das Volk. Die Götter hätten einen der ihren hinab auf die Erde geschickt.

Die erhaltenen Steinbüsten von Echnaton zeigen eine auffällige Physiognomie, große Augen und einen schmalen, länglichen Schädel, der Betrachter in allen Jahrhunderten faszinierte. Auf mehreren Abbildungen, die ihn mit seiner legendär schönen Ehefrau Nofretete zeigen, sehen sich beide zum Verwechseln ähnlich.

Die ägyptische Oberschicht kopierte den scheinbar geschlechtslosen Pharao. Männer und Frauen glichen sich immer mehr an. Beide Geschlechter schminkten sich, trugen Parfüm, Schmuck und Perücken. Besonders die ebenso künstliche wie kunstvolle Haarpracht spielten im Liebesspiel eine große Rolle - die Perücke als Reizwäsche.

Echnatons androgynes Gebaren war vor allem machtpolitisches Kalkül: In einer großen Revolution um 1350 v. Chr. ersetzte der Pharao die alten Götter durch die monotheistische Sonnengottheit Aton, die weder Mann noch Frau war. Wie Aton stand Echnaton über den Geschlechtergrenzen. Damit ist er der Urvater des Transvestitismus.

Thomas Mann beschrieb Echnaton in seinem gigantischen, historischen Roman „Joseph und seine Brüder“: „So war eine Mischung schmerzlich verwickelter Geistigkeit und Sinnlichkeit in diesem Gesicht - auf der Stufe des Knabenhaften und vermutlich sogar des zu Übermut und Ausgelassenheit geneigten. Hübsch und schön war es mitnichten, aber von beunruhigender Anziehungskraft. Auch nicht schön, sondern eher seltsam und teilweise aus der Form gegangen war auch Pharaos die Mittelgröße kaum reichende Körpergestalt.“

Die Beunruhigung des Betrachters rührte auch daher, dass Echnaton verwirrend geschlechtslos aussah. Er hatte feine Gesichtszüge, volle Lippen und sanft geschwungene Augen. Kolossalstatuen zeigen Echnaton nackt, ohne primäre Geschlechtsmerkmale, mit dickem, wie schwanger erscheinendem Bauch. So wurde er auch der Urvater des Androgynen.

Die Aufhebung der Geschlechtergrenzen und damit die Emanzipation von Mann und Frau waren von kurzer Dauer. Schon 50 Jahre nach seinem Tod waren sämtliche Spuren des umstürzlerischen Königs aus der offiziellen Geschichtsschreibung getilgt. Seine Hauptstadt Achet Aton ebenso wie die Aton-Heiligtümer lagen in Schutt und Asche.

Doch bis heute finden Archäologen Reliefs und Statuen, Kinderköpfe und Herrscherbildnisse, Fragmente und Inschriften. Sie regen immer wieder aufs Neue an, sich dem Rätsel dieser Epoche und ihrer bestimmenden Gestalt zu nähern: Wissenschaftlich, spekulativ und mit der Kraft der Imagination.

Cross-Dressing macht Spaß,
Jan
Webmaster
vom homo.net Team

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